Frage: Worum geht es in Ihrem Fach?
Lisa Ollinger: Es geht grob darum, den Maschinen „Leben einzuhauchen“. Damit Produktionsprozesse automatisch ablaufen, müssen sich Maschinen selbst konfigurieren können und Fehler müssen automatisch erkannt und gelöst werden. Automatisierung basiert auf Software. Damit Produktionsprozesse optimiert werden können, damit auf neue Produktionsprogramme umgestellt werden kann und auch viele Varianten produziert werden können, muss die Software sehr agil sein und sich schnell – möglichst automatisch – umstellen können. An solchen Themen arbeiten wir. Wenn mich jemand fragt, was ich forschungsmäßig so mache, sag‘ ich immer „Schlagwort Industrie 4.0, da kann man mich verorten!"
Frage: Was ist für Sie das Schöne am Beruf der Professorin?
Lisa Ollinger: Ich finde den Beruf Professor*in so genial, weil er sehr vielseitig ist! Für mich ist dieser hohe Grad an Selbstbestimmung, den dieser Job mit sich bringt, etwas, das sehr zu meiner Persönlichkeit passt und mich happy macht. Das Schöne an einer Hochschule ist, dass man sehr viel lernen kann. Das ist für mich ein Hauptgrund, warum ich diesen Beruf so toll finde. Ich bin ein sehr vielseitig interessierter Mensch und ich finde es wunderbar, dass man sich so entwickeln kann. Ich würde mich gerne mehr in die Forschung einbringen, weil auch hierfür mein Herz schlägt. Wir Hochschulprofessor*innen haben ja ein recht hohes Lehrdeputat im Gegensatz zu Unis, dafür aber viele andere Vorteile.
Frage: Welche Dinge in Ihrem Job als Professorin würden Sie nicht mehr missen wollen?
Lisa Ollinger: Ich habe vor meinem Job in der Industrie als Doktorandin an einem Forschungsinstitut gearbeitet und habe da bereits Lehre gemacht und viele studentische Arbeiten betreut. Der Wechsel in die Industrie war da erstmal ein sehr harter Bruch. Bei Proctor & Gamble habe ich auf Firmenseite einige studentische Arbeiten betreut. Bei meinem Job in der Industrie haben mir schon so ein paar Sachen gefehlt. In einem Unternehmen wird man auf ein Projekt gesetzt und hat innerhalb eines Projekts auch seine Freiheiten, aber es ist schon etwas ganz anderes als in der akademischen Welt – das ist ein ganz anderes Arbeiten.
Frage: Welche Tipps können Sie – gerade Frauen – geben, die sich für einen solchen Job interessieren?
Lisa Ollinger: Ich glaube, als Frau denkt man da dreimal darüber nach. Das war bei mir vor 20 Jahren so und ich glaube nicht, dass sich daran viel geändert hat – leider. Es ist, glaube ich, natürlicher zu sagen: „Ich bin ein junger Mann, habe mein Abi in der Tasche und studiere mal Maschinenbau“. Da fragen keine zehn Personen, ob man das wirklich machen will, ob man denn glaubt, dass man das kann. Das sind, denke ich, gesellschaftliche Strukturen, die sehr tief verankert sind. Ich fand diesen Ruf der Ingenieurin so toll: Dinge zu entwickeln, kreative Lösungen zu erarbeiten und zu realisieren. Das war eine Vision, der ich nachgehen wollte. Ich selbst hatte in dem Sinne keine Vorbilder, niemand in meiner Familie hat einen technischen Beruf ausgeübt. Mein Physiklehrer hatte mir sogar davon abgeraten, ein Ingenieursfach zu studieren. Aber ich war damals schon trotzig genug, es dennoch zu machen.
Frage: Wie sind Sie zum Beruf der Professorin gekommen?
Lisa Ollinger: Während meiner Karriere in der Industrie habe ich mich immer weiter von der Technik entfernt und mehr Projektmanagement-Aufgaben wahrgenommen. Da habe ich schon gemerkt, dass mir das fehlt – mich mit Inhalten auseinanderzusetzen, das Tüfteln, das Lernen über neue Technologien und so weiter. Ich habe damals mit einem ehemaligen Kollegen gesprochen, der den Weg zum Professor schon gemacht hatte. Er hat mich dazu ermutigt und das war schon wichtig für mich, von außen nochmals den Impuls zu bekommen, um es mir selbst zuzutrauen. Mein Doktorvater hat irgendwann auch mal zu mir gesagt, dass mir der Kontakt mit den Studierenden sehr liegen würde. Als ich hier an der THU den Ruf bekommen habe, hat er sich auch sehr gefreut und mir gratuliert. Damals stand es noch nicht so zur Debatte, Professorin zu werden.
Frage: Seit dem 01.08.2021 sind Sie Mitglied im Hochschulrat der THU. Wie sind Sie dorthin gekommen?
Lisa Ollinger: Ich wurde damals gefragt. Zu der Zeit war ich seit zwei Jahren an der Hochschule und habe mich noch gar nicht so im Detail mit den hochschulpolitischen Strukturen befasst. Zwei Kollegen haben mich damals angesprochen und ich muss schon sagen, das war auch ein Kompliment an mich, dass ich dafür vorgeschlagen wurde. Ich habe es auch als große Chance gesehen, mich „aufzuschlauen“, um hinter die Kulissen zu schauen, was hochschulpolitisch passiert. Natürlich auch, um eine gewisse Einflussmöglichkeit zu haben. Ich sehe so ein Engagement in dieser Hochschulorganisation auch als nötig an. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir uns einbringen, um die Hochschule wirklich lebendig zu gestalten. Daher dachte ich, ich probiere das mal aus und nehme dieses Amt an und habe mich einfach mal reingestürzt – und habe es auch nicht bereut. Der Hochschulrat setzt sich aus internen und externen Mitgliedern zusammen und ich finde gerade die Perspektive der Firmenvertreter so interessant und finde es toll, Kontakte zu knüpfen. Sie bringen sehr wertvolle andere Perspektiven ein. Das sehe ich auch als ein Aspekt, um mich weiterzubilden, mich zu engagieren und mich in der Hochschulgemeinschaft einbringen zu können.
Frage: Wie können andere Mitglieder der Hochschulgemeinschaft motiviert werden, sich ebenfalls in der Hochschulselbstverwaltung zu engagieren?
Lisa Ollinger: Man muss einfach offen Möglichkeiten ergreifen, am Schopf packen und die Fühler ein bisschen ausstrecken. Wir haben hier an der Hochschule Freiheiten, um zu sagen, wo man sich lieber einbringen würde, sei es etwa als Institutsbetriebsleitung oder als Dekan*in. Ich selbst habe das immer als sehr positiv empfunden, wenn ich proaktiv gesagt habe, was ich gerne machen würde, wie etwa jetzt das Amt der Studiendekanin für den Studiengang Systems Engineering (Industrial Engineering). Da stößt man hier eigentlich nie auf Ablehnung, wenn man proaktiv an die Dinge herangeht und mit den Leuten redet. Das finde ich schon eine sehr positive Umgebung. Kurzum: Let’s go! Einfach auf die Leute zugehen. Ich glaube, da wird man überall mit offenen Armen empfangen. Sei es, wenn man sich im Senat oder Hochschulrat oder woanders einbringen möchte, da gibt es super viele Möglichkeiten. Gerade die Hochschulen haben da eine ganz, ganz wunderbare Umgebung – diese Fülle an Möglichkeiten und so viel Zugriff auf Wissen! Und dass man damit auch was machen kann – sei es in der Lehre, in der Forschung oder in einem Startup. Es gibt eine Riesenbandbreite, deswegen: Mit den Leuten reden, fragen und einfach machen!
Frage: Gab es schon einmal Herausforderungen oder Konflikte während Ihrer Zeit in der Selbstverwaltung?
Lisa Ollinger: Klar gab es schon einmal Konflikte, aber keine, wo man jetzt den „Kopf in den Sand“ stecken würde. Kommunikation und Austausch ist ja – wie überall – das A und O. Ich finde es auch wichtig, dass jetzt die Hochschulstrategie erarbeitet wird, um die Dinge auf den Punkt zu bringen, auf die man sich im Konsens geeinigt hat. Natürlich steht nicht jeder oder jede hundertprozentig hinter allen Punkten, aber ich denke, dass sich jede Person an der Hochschule mit bestimmten Punkten identifizieren kann, dass wir sagen können: „da wollen wir hin“ und uns dann fragen, wie wir da gemeinsam in der Zusammenarbeit hinkommen. Ich finde es von unserem Rektorat gut, dass der Strategieprozess so vorangetrieben wird.
Frage: …und gab es schon einmal so richtige Aha-Momente?
Lisa Ollinger: Auf jeden Fall. Man wird mit Informationen aus erster Hand versorgt und bekommt die verschiedenen Perspektiven mit. Durch die verschiedenen Perspektiven im Hochschulrat werden manchmal auch Probleme angesprochen, die ich in meinem Alltag oft gar nicht mitbekomme. Ich finde es wichtig, dass jeder jetzt nicht nur in seinem eigenen Süppchen kocht, sondern dass wir uns wirklich als Teil der Gemeinschaft verstehen. Professorin zu sein ist in vielerlei Hinsicht schon ein Einzelkämpfer-Job, aber das muss er nicht sein! Ich bin niemand, der nur im stillen Kämmerlein hockt und dann in den Hörsaal geht, um sein Wissen auszuschütten. Auch hier liegt das in unserem Gestaltungsspielraum. Auch am Austausch muss man aktiv arbeiten, denn man läuft sich nicht ständig über den Weg.
Frage: Zu guter Letzt: Warum sollten Studierende Ihr Fach studieren?
Lisa Ollinger: Es gibt kaum einen Lebensbereich, der nicht davon betroffen ist! Es ist sehr vielseitig und man kann sich richtig kreativ austoben. Es gibt unheimlich viele Schnittstellen zwischen den verschiedenen Domänen, sei es Medizintechnik, Robotik oder Umwelttechnik. Auch bei meinen Kolleginnen und Kollegen von der Fakultät P, die in Richtung Erneuerbare Energien beispielsweise forschen, gibt es ganz viele Aspekte, bei denen Automatisierung benötigt wird – um beispielsweise die Energie in unseren Smart Grids verteilen zu können. Auch für die Gestaltung unserer Zukunft ist es ein sehr wichtiges Thema, um auch die aktuellen Probleme, die wir haben, angehen zu können und natürlich, um uns auch technologisch und technisch weiterzuentwickeln.
Zur Person:
Prof. Dr.-Ing. Lisa Ollinger, Jahrgang 1983, studierte Elektrotechnik an der Technischen Universität Kaiserslautern und promovierte dort am Fachbereich Maschinenbau und Verfahrenstechnik. Während ihrer Promotion arbeitete sie am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) im Forschungsbereich Innovative Fabriksysteme und anschließend in der Industrie bei Procter & Gamble. Seit 2019 ist Lisa Ollinger als Professorin für Produktionsautomatisierung an der Technischen Hochschule Ulm tätig, wo sie in der Fakultät zu den Themen Steuerungstechnik, Robotik, Industrie 4.0, Agentensysteme und Kommunikationstechnologien lehrt und forscht. Neben ihren Lehr- und Forschungstätigkeiten ist sie Studiendekanin für den Masterstudiengang „Systems Engineering & Management – Industrial Engineering“. Seit 2021 ist sie Mitglied des Hochschulrats der THU.
Zum Hochschulrat:
Der Hochschulrat spielt als Gremium eine zentrale Rolle bei der Festlegung der langfristigen Ziele und Visionen einer Hochschule. Zu den wichtigsten Aufgaben des Hochschulrats gehören gemäß dem Landeshochschulgesetz Baden-Württemberg die Aufsicht über die Geschäftsführung des Rektorats sowie die Wahl der hauptamtlichen Rektoratsmitglieder in Zusammenarbeit mit dem Senat. Darüber hinaus trägt der Hochschulrat zur Gestaltung und Entwicklung der Hochschule bei, indem er über Struktur- und Entwicklungspläne sowie die Planung der baulichen Entwicklung entscheidet. Er gibt außerdem Stellungnahmen zur Grundordnung der Hochschule ab und wirkt an deren Änderungen mit. Darüber hinaus ist der Hochschulrat befugt, den Wirtschaftsplan der Hochschule zu beschließen und den Jahresabschluss festzustellen. Die Amtszeit des Hochschulrats an der THU beträgt drei Jahre.
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