Frage: Was ist für Sie das Schöne am Beruf des Professors?
Gerd Heilscher: Die Kombination aus Forschung und Lehre sowie die Arbeit mit dem Forschungsteam. Das Schöne an dem Beruf ist auch, den Studierenden und Mitarbeiter*innen Werkzeuge mitzugeben, damit sie Lösungen für die Herausforderungen der Transformation des Energiesystems entwickeln können. Beim Austausch mit den Studierenden merke ich selten, dass ich schon Ü60 bin. Ich kann selbst immer noch Neues lernen – gerade auch in den Forschungssemestern.
Mit Abstand das Schönste an meinem Beruf ist jedoch zu sehen, wo die ehemaligen Studierenden und F&E-Mitarbeiter*innen jetzt an der Gestaltung der Energiewende in unterschiedlichen verantwortlichen Positionen mitwirken.
Frage: Sie kommen aus der freien Wirtschaft und haben nicht promoviert. Was hat Sie dazu bewegt, eine wissenschaftliche Karriere als Professor einzuschlagen?
Gerd Heilscher: Im Unternehmen habe ich neben der Geschäftsführung immer auch Forschung betrieben und Ergebnisse veröffentlicht. Als ich ich mich auf die Professur an der THU beworben habe, hatte ich bereits mehr als 10 Jahre Vorlesungen über regenerative Energien als Lehrbeauftragter in München gehalten. Daher kannte ich die Arbeit in der Lehre: In einer Vorlesung drei Stunden Wissen an junge Studierende zu vermitteln sehr gut.
Es gab dann einen Punkt, an dem ich nicht wusste, ob ich am nächsten Tag noch Geschäftsführer des von mir gegründeten Unternehmens bin. Das ist dann nicht passiert, aber die Frage war damit geboren: “Was mache ich eigentlich, wenn ich dieses Unternehmen nicht mehr leite?” Damit habe ich mich dann grundlegend auseinandergesetzt und bin zu dem Ergebnis gekommen: Ich will die Energiewende aktiv mitgestalten. Dafür war eine Professur ein geeigneter Platz.
Dann war die Anzeige für die Stiftungsprofessur an der THU in der ZEIT und ich dachte: Die suchen mich!
Frage: Sie gehören zu den forschungsstarken Professor*innen an der THU. Haben Sie bei all Ihren derzeit laufenden Forschungsprojekten ein Lieblingsprojekt?
Gerd Heilscher: Ich finde das InterBDL-Projekt sehr spannend. Ein langjähriger Mitarbeiter regte damals an, sich doch auch der E-Mobilität zu widmen, woraufhin zwei Projekte in diesem Bereich gestartet wurden. Im Sommer vor zwei Jahren bildete er ein Team mit Forschungspartnern, das mit einem weiteren Team anderer Organisationen zusammengeführt wurde. So entstand das InterBDL-Projekt zum bidirektionalen Laden von E-Fahrzeugen, das letzten Sommer begann. Das Spannende für mich an diesem Projekt ist neben den wichtigen wissenschaftlichen Fragestellungen die persönlichen Entwicklungen der Mitarbeiter*Innen in dem Freiraum der Forschung zu erleben. Die wachsen mit ihren Aufgaben und setzen ihre Energie für die Energiewende ein.
Für mich persönlich ist zudem die internationale Zusammenarbeit von großer Bedeutung, insbesondere mit der Internationalen Energieagentur. Ich war acht Jahre lang im Technologieprogramm für Photovoltaik aktiv und leitete vier Jahre eine Expertengruppe zur Netzinteration von Photovoltaikanlagen. Wenn die Finanzierung klappt, werden wir Anfang 2025 im Photovoltaik Technologie Program der IEA erneut eine vierjährige internationale Zusammenarbeit zur Photovoltaik-Netzintegration starten. Ich setzte mich dafür ein diese Zusammenarbeit zu organisieren, Expert*innen zu vernetzen und voneinander zu lernen. Dieser internationale weltweite Austausch über alle Grenzen hinweg ist mir persönlich sehr wichtig.
Frage: Welche Momente Ihrer Forschung haben Sie besonders stolz gemacht?
Gerd Heilscher: Die Einführung der Smart Meter-Infrastruktur war eine sehr schwere Geburt. Zudem fanden die Corona-Pandemie und der Umzug in unseren Neubau damals gleichzeitig statt. Dass wir das im Team nach neun Monaten als eine der ersten im Frühjahr 2020 geschafft haben – da bin ich wirklich stolz auf die Mitarbeiter*innen, mit denen das gelungen ist!. Das Thema ist auch heute noch aktuell. Aus dem Smart Meter Rollout soll ein Steuerungsrollout werden. Damit können dann Solarstromanlagen, Wärmepumpen und Ladepunkten „gedimmt“ werden, wenn das Stromnetz an seine Grenzen kommt.
Frage: Wie binden Sie Studierende in Ihre Forschungsprojekte ein?
Gerd Heilscher: Das beginnt bereits im ersten Semester – wir laden die Studierenden von Beginn an ein, bei uns als Hiwis mitzuarbeiten. Im Studium selbst kommen in der Vorlesungen Themen aus den Forschungsprojekten vor. Die aktive Mitwirkung in Forschungsprojekten ist dann durch Projekt- und Abschlussarbeiten möglich.
Ein Erfolgsmodell ist der 50% Teilzeitjob als vollwertige*r Mitarbeiter*in während des Masterstudiums.
Frage: Welche akademischen Netzwerke sind für Ihre Forschung und Lehre wichtig?
Gerd Heilscher: Wichtig war die Vernetzung der Forschung der Hochschulen für angewandte Wissenschaften mit dem BW-CAR, um nach vielen Jahren als Hochschule das Promotionsrecht zu erhalten. Sehr hilfreich ist der Arbeitskreis Hochschule der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie, bei dem wir uns einmal im Jahr treffen und uns über Lehrkonzepte austauschen. Auch auf internationaler Ebene gibt es ISES, die International Solar Energy Society. Der Austausch erfolgt hier über das eigene Journal (Solar Energy) und natürlich über wissenschaftliche Tagungen.
Ein besonderes Netzwerk sind die Technologie Programme (TCP) der Internationalen Energie Agentur (IEA). Im Bereich Photovoltaik gibt es dazu das Photovoltaic Power System Programm (PVPS). Seit über acht Jahren arbeite ich dort gemeinsam einer weltweiten Gruppe von Expert*innen an der Netzintegration von Solarstrom und durfte die letzten fünf Jahre diese Gruppe gemeinsam mit dem AIT in Wien leiten.
Frage: Was hat Ihnen geholfen, sich ein Netzwerk aufzubauen?
Gerd Heilscher: Den Grundstein für mein berufliches Netzwerk legte ich bereits in meiner Jugend. Ich hatte die Möglichkeit, einen Jugendleiterkurs in der Evangelischen Jugend zu besuchen, wo ich lernte, wie man Menschen und Gruppen führt. Diese frühen Erfahrungen in Kommunikationsfähigkeit waren prägend für mich. Im Studium in München gab es den Arbeitskreis "Regenerative Energien", durch den ich den Masterstudiengang „Regenertative Energiesysteme“an der Universität Oldenburg entdeckte. Dies war auch der Ausgangspunkt für mein Netzwerk im Bereich der regenerativen Energien. Während meines Studiums in Oldenburg lernte ich die Geschäftsführer eines der größten Wechselrichter-Hersteller in Deutschland, der SMA, kennen. Damals war das Unternehmen noch kleiner, und die Geschäftsführer hielten selbst Workshops ab. So kam es, dass ich während meiner Masterarbeit in Tunis auch einen von ihnen traf, als eine Windkraftanlage aufgebaut wurde. So entstand mein berufliches Netzwerk.
Ich bin sehr kommunikativ und besuche gerne Messen. Kürzlich war ich wieder zwei Tage auf der InterSolar-Messe. Solche Gelegenheiten sind wichtig, denn Netzwerke entwickeln sich über einen langen Zeitraum und basieren auf den persönlichen Beziehungen mit den Menschen, das funktioniert nicht „online“.
Auch an der Hochschule kooperieren wir in unseren Projekten mit Industriepartnern. Mittlerweile kommen diese auch auf uns zu, um gemeinsam Projekte zu realisieren und unsere Labore zu nutzen. Ein gutes Beispiel ist unser Smart Grid Labor an der THU, dass wir als JointLab gemeinsam mit den Industriepartnern nutzen.
Frage: Welchen Rat würden Sie Wissenschaftler*innen und angehenden Professor*innen geben, die eine ähnliche Laufbahn anstreben?
Gerd Heilscher: Der Übergang von der Industrie in die Lehre erfordert erst einmal den Aufbau von Lehrinhalten. Wer aber neben der Lehre auch in der Forschung aktiv sein will, sollte von Beginn an auch in der Forschung starten – insbesondere um die Kontakte aus der Industrie zu nutzen und gemeinsame Projekte anzustoßen.
Die Zusammenarbeit mit und die Unterstützung durch etablierte Kolleg*innen hilft da natürlich. Ein „Geheimnis“ der THU und viele anderer Hochschulen für angewandte Wissenschaften ist der offene Austausch mit den Kolleg*innen. Ich erlebe hier an der THU einen offenen vertrauensvollen Umgang miteinander.
Frage: Was ist wichtig, um Professor*in zu werden?
Gerd Heilscher: Man sollte wissen und prüfen, ob man lehren will und kann. An den HAWen ist die Lehre die Grundlage und 18 SWS sind nicht zu unterschätzen. Es ist ideal, wenn jemand schon einmal einen Lehrauftrag hatte und dem klar ist, was lehren bedeutet. Wenn wir neue Professor*innen suchen, sollten diese eine Motivation für die Lehre mitbringen und die Inhalte jungen Menschen vermitteln können.
Mir hat geholfen, dass ich bereits zehn Jahre als Lehrbeauftragter an der FH München gearbeitet hatte. Ich wusste bereits, was es heißt, drei Stunden vor Studierenden zu stehen, über regenerative Energien zu sprechen und damit Kompetenzen aufzubauen. Auch muss jemand eine Zeit lang im Beruf gewesen sein und seine Erfahrungen aus dem Berufsleben einbringen. Gerne mit Menschen und hier insbesondere jungen Menschen zu arbeiten, hilft!
Frage: Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung des Berufsbildes des Professors/der Professorin, insbesondere im Bereich Forschung? Welche Veränderungen und Trends halten Sie für besonders bedeutend?
Gerd Heilscher: Dank des Promotionsrechts an den HAWen können wir unsere umfangreiche Forschung in der Smart Grids Forschungsgruppe an der THU erfolgreich fortsetzen und haben damit einen bedeutenden Meilenstein erreicht. Die Akquise von F&E-Projekten und das Schreiben von Veröffentlichungen sind am Anfang als Professor ohne Mitarbeiter*innen herausfordernd. Der Aufbau des Forschungsmanagements und das kollegiale Umfeld an der THU helfen aber den Einstieg zu schaffen. Voraussetzung und Grundlage ist aber die eigene Motivation und Neugier Innovationen voranzutreiben.
Frage: Was ist Ihr Lieblingsort in Ulm und in der Region?
Gerd Heilscher: Das Café Animo. Es ist ein guter Ort für ein Mittagessen und auch ein Platz um den Start oder den erfolgreichen Abschluss eines Forschungsprojekts zu feiern. Ansonsten gibt es das Café „Bella Vista“mit Dachterrasse und Blick auf den Ulmer Münster. Dort kann man ungestört den Kopf frei bekommen und die nächsten Schritte plannen.
Zur Person:
Prof. Gerd Heilscher ist Professor für “Energiedatenmanagement für dezentrale erneuerbare Energiesysteme” und wurde 2006 an die Technischen Hochschule Ulm (THU) auf die Stiftungsprofessur berufen. Er leitet die Smart Grids Forschungsgruppe, die sich auf Energieinfrastruktur, Energieinformatik und Energiemeteorologie und Energiewirtschaft konzentriert. Von 1991 bis 2006 war er Geschäftsführer der meteocontrol GmbH. Im Forschungssemester 2011/12 in den USA hat er Analysen zu schnellen Einstrahlungsänderungen und deren Auswirkungen auf das Stromnetz durchführte. Prof. Heilscher lehrt unter anderem in den Fächern Elektrische Netze, Energy Data Management und Photovoltaik. 2014 erhielt Prof. Heilscher den Wissenschaftspreis der Stadt Ulm.
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